Musikalischer Revolutionär und „Spitzweg der modernen Klaviermusik“
Gerit Lense spielt Werke des aus Maihingen stammenden Joseph Haas
(emy) Wieder zeigte es sich, dass der intime Schlosssaal in Reimlingen nicht nur eine wunderbare Kulisse, sondern auch den akustisch fassbaren Rahmen für ein Klavierkonzert bietet. Deshalb war es sicher ein guter Griff der Joseph-Haas-Gesellschaft, vertreten durch den Enkel des Komponisten, Wolfgang Haas, den Klaviervierabend mit Gerit Lense in diesem ehrwürdigen Raum stattfinden zu lassen.
Die Wiesbadener Pianistin, die ihren Wohnsitz seit Jahren in München aufgeschlagen hat, begann das fast monumentale Klavierwerk der „a-Moll Sonate“ sehr energisch und es wurde von Anfang an deutlich, dass Joseph Haas, der in Maihingen geborene Komponist, immer wieder die extremen Klavierlagen in das Klangspektrum einbezog, vor allem in den sich energischen steigernden Teilen. Doch immer wieder ereigneten sich Stimmungswechsel zu lyrischen, besinnlichen Abschnitten, die mit spielerischen Elementen verziert wurden und in der Wiederkehr der melodischen Elemente ruhig verklingen durften, bevor ein sehr farbig gestalteter schriller Schluss den ersten Satz beendete. Der Wechsel zwischen unruhig springenden, auseinanderdriftenden und sich beruhigt niederlassenden Klängen setzte sich auch im zweiten Satz fort, während in dem stark akkordisch geprägten dritten Satz träumerische Weisen erklangen, die jedoch keine Süßlichkeit aufkommen ließen und in einer motivreichen Verarbeitung einen ruhigen versöhnlichen Ausklang fanden. Lebendig und frisch wirkte der tänzerische Schlusssatz, sehr transparent verarbeitet und mit einer großen Geste am Schluss. Die Sonate, die geradezu sinfonische Ausmaße hatte, nicht nur wegen der 45 Minuten Länge, sondern auch auf Grund der hohen technischen Anforderungen, bewältigte die Interpretin mit höchster Konzentration und meisterlichem Spiel, wobei sie die Klangmöglichkeiten des vorhandenen Instruments fast schon überforderte, da Joseph Haas bei diesem revolutionären Werk der Spätromantik oft an die Grenzen des tonalen Raumes stieß.
Erst bei den „Hausmärchen“ erwies sich Haas wieder eher als der „Spitzweg moderner Klaviermusik“, als der er immer wieder wegen seiner volksnahen Kompositionsweise bezeichnet wurde, denn in der Anreihung musikalischer Miniaturen erschienen derbe Gnome und unruhige Geister in einer Stimmungsmalerei, die von Liebeswehmut und flüchtiger Unruhe durchsetzt war, von denen ein Choreograph leicht zu tänzerischer Gestaltung angeregt werden könnte. Auch die Sonatinen in C-dur und d-Moll gehören zu der leichteren Kost . Sie gaben muntere, heitere Stimmungen wieder, dazwischen elegisch liedhafte Schmeicheleien, aber auch rhythmische Aufwallungen mit heftigen Akkordschlägen. In der von Gerit Lense sehr farbig angelegten Moll-Sonatine gelang ihr die Darstellung der in liedhafter Melodik romantisch schwärmenden Spielereien durch die ausgeprägte Gestaltung der reizenden Modulationen besonders eindringlich, wofür sie von den anwesenden Klavierliebhabern einen begeisterten Beifall erhielt, der sie noch zu einer hübschen Zugabe aus den Haas’schen „Eulenspiegeleien“ animierte.